Wir suchen mehrere Tausend Freiwillige für die Erhebung am 22. Juni 2022!
Nur durch die Mithilfe von vielen Freiwilligen bei der Erhebung, können berlinweit wichtige Erkenntnisse über das Ausmaß von Obdachlosigkeit gesammelt werden. Mit diesen Erkenntnissen können bessere Hilfsangebote geschaffen und politische Lösungen zur Bekämpfung von unfreiwilliger Obdachlosigkeit gefunden werden.
Aufgabe der Freiwilligen:
Als Freiwillige oder Freiwilliger sind Sie in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni von 20:00 bis 01:00 beschäftigt. Sie müssen mindestens 18 Jahre alt sein und für 3 Stunden zu Fuß unterwegs sein können. Sie sind dann in einem Team aus 3 Personen und einer Teamleitung tätig. Gemeinsam mit Ihrem Team laufen Sie einen festgelegten Bereich von Berlin ab. Wenn Sie in diesem Bereich der Stadt obdachlose Personen antreffen, schreiben Sie die Anzahl derer auf. Wenn die obdachlose Person es möchte, darf Ihr Team der Person fünf anonymisierte Fragen stellen und die Antworten auf einem Fragebogen notieren. Falls Sie mehrere Sprachen sprechen sind Sie eine besonders große Hilfe.
Wollen Sie als Freiwillige oder Freiwilliger in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni 2022 mithelfen?
Weitere Informationen finden Sie bei den Fragen & Antworten, zum Beispiel über den Sinn und Zweck des Vorhabens, den Ablauf der Nacht und den Einsatz der Freiwilligen.
Nach der Anmeldung erhalten Sie eine automatische Bestätigung Ihrer Anmeldung per E-Mail. Bitte schauen Sie auch in Ihren Spamordner. Sie können Ihren genauen Einsatzort für die Erhebung selbst festlegen. Hierfür erhalten Sie nach der Anmeldung wiederum eine gesonderte E-Mail mit einem Link. Über diesen Link können Sie den Sammelpunkt auswählen, von dem aus Sie in der Zähl- und Befragungsnacht Ihren Einsatz beginnen.
Wir schicken Ihnen ab dem Zeitpunkt Ihrer Anmeldung wöchentlich einen Rundbrief per E-Mail. In diesem Rundbrief informieren wir Sie über das Projekt “Zeit der Solidarität”, sowie über weitere Möglichkeiten des Engagements im Bereich der Wohnungslosenhilfe.
Unterstützer:innen
Viele Berliner und Berlinerinnen aus der Zivigesellschaft und Öffentlichkeit unterstützen, zum Teil erneut, die "Zeit der Solidarität" und damit die diesjährige Erhebung von obdachlosen Berliner:innen. Warum sie diese Aktion so wichtig und unterstützenswert finden, erklären sie hier:
„Ich unterstütze die Zeit der Solidarität, weil es so wichtig ist, von den wohnungslosen Menschen selbst zu hören, wie sie ihre Lebenssituation einschätzen, welche Forderungen und Bedarfe sie formulieren. Sie kennen ihre Lebensrealität am besten! Durch die „Die Zeit der Solidarität“ wird das existentielle Problem der Wohnungslosigkeit auf die öffentliche und politische Agenda gesetzt – und das ist sehr nötig, denn wir brauchen dringend Wohnraum für Wohnungslose sowie ein gutes und nachhaltig finanziertes Unterstützungs- und Hilfesystem.“
Dieter Puhl, Leiter der Stabsstelle für christliche und gesellschaftliche Verantwortung, Berliner Stadtmission
„Obdachlosigkeit europaweit bis 2030 zu überwinden, ist ein tolles, erstrebenswertes Ziel, eine kraftvolle Vision. Kaffeesatzleserei wird uns dabei nicht helfen; wir benötigen Fakten. Wir zählen auf Euch!“
Foto: Berliner Stadtmission
Katja Kipping, Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales
„Wir haben den Staffelstab übergeben. Nachdem die Sozialverwaltung die erste Obdachlosenzählung im Januar 2020 organisiert hatte, werden nun der VskA und die vielen Freiwilligen der Stadt die Erhebung und Befragung obdachloser Menschen durchführen. Beides soll uns wichtige Erkenntnisse liefern, um die niedrigschwelligen Hilfen für obdachlose Menschen in Berlin weiterzuentwickeln. Gleichzeitig wird mit dieser Aktion das zivilgesellschaftliche Engagement für Menschen in Wohnungsnot aktiviert und die Teilhabe der Betroffenen ermöglicht. Bei Bertolt Brecht heißt es: Und die im Dunkeln sieht man nicht. Die Zeit der Solidarität ist auch ein Anlass, um dem schnellen Übersehen von Obdachlosigkeit im Alltag entgegenzuwirken und das Thema Obdachlosigkeit in der Öffentlichkeit zu thematisieren. Die Zeit der Solidarität steht insofern auch für das gezielte Hinsehen und Wahrnehmen des Problems und das wiederum ist eine wichtige Vorrausetzung, um obdachlosen Menschen auf der Straße zielgerichtet zu helfen.“
Foto: Anke Illing
Klaus Seilwinder & Uwe Tobias, Stadtführer von querstadtein e.V.
„In der heutigen Zeit kann jeder auf der Straße landen. Da das Straßenleben leider kein Abenteuerspielplatz ist, denn es ist ein Kämpfen jeden Tag aufs Neue, wenn man also Obdachlose sieht, schenkt ihnen ein Lächeln, denn das zollt von Respekt und Respekt sollte man vor jedem Menschen haben. Da wir auch im Fachbeirat bei „Zeit der Solidarität“ beim VskA sind helft uns bitte am 22. Juni 2022 bei der Zählung und Befragung der Obdachlosen und den Ärmsten der Armen eine Stimme zu geben.“
Taylan Kurt, Mitglied des Abgeordnetenhauses, Bündnis 90/Die Grünen
„Die Solidarität einer Gesellschaft zeigt sich daran, wie sie mit ihren Schwächten umgeht! Niemand wird auf der Straße geboren aber jeder Mensch kann auf der Straße landen. Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass tausende Menschen in Berlin obdachlos auf der Straße leben. Solidarität fängt auf der Straße an!
Kein Mensch soll in Berlin mehr auf der Straße leben müssen. Dafür wollen wir als Regierungskoalition Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis zum Jahr 2030 überwinden. Unser Ziel ist ambitioniert, aber ein soziales Berlin überlässt niemanden der Straße.
Ich unterstütze die Zeit der Solidarität, weil sie uns hilft diesem Ziel ein großes Stück näher zu kommen. Denn mit der Zählung auf der Straße können wir die Hilfsangebote in Berlin für Obdachlose für sie verbessern. Es ist Zeit für mehr Solidarität! Mach mit für ein soziales Berlin!“
Barbara Eschen, Sprecherin der LAK, Landesarmutskonferenz-Berlin
„Straßenobdachlosigkeit hat viele Gründe. Sie zu kennen, führt zu Lösungen. Deshalb ist die Befragung vor Ort so wichtig. Maßgeblicher Grund ist aber wohl der Mangel an Wohnraum. Und der ist ein Skandal. Deshalb ist die Zeit der Solidarität auch eine politische Aktion, der ich viele Unterstützer*innen wünsche.“
Das Frostschutzengel 2.0 Team der GEBEWO
„Die Nacht der Solidarität im Jahr 2020 hat uns gezeigt, dass etwa zwei Drittel der obdachlosen Personen in Berlin aus Ländern der EU stammen. Diese Zahl zeigt uns: Wenn wir über eine Beendigung der Straßenobdachlosigkeit reden, muss der besondere Fokus auf die beschränkenden Voraussetzungen für EU-Bürger*innen in Deutschland gelegt werden. Eine neue Erhebung für die obdachlosen Personen in Berlin befürworten wir ausdrücklich. Die Datenbasis wird deutlich machen, wo Handlungsbedarfe bestehen. Wir glauben, dass unsere Zielgruppe, die obdachlosen EU-Bürger*innen, in den Fokus der Hilfen gerückt werden müssen, damit auch sie eine Perspektive auf eine verbesserte Lebenssituation bekommen können!“
Volker Wieprecht, Moderator, Journalist & Autor
„Ich befürworte und begrüße es sehr, dass wir uns alle gemeinsam wieder aufmachen, für die zu sorgen, die kein festes Dach über dem Kopf haben. Zu wissen, wie viele unter uns leben, denen es so geht, ist ein wichtiger Anfang. Der nächste Schritt ist dann Bedarfsgerechtigkeit!“
Foto: Cathrin Bach
Lars Düsterhöft, Mitglied des Abgeordnetenhaus und Sozialpolitischer Sprecher der SPD
„Die Zeit der Solidarität erinnert die ganze Stadt an eines der größten sozialen Probleme: Die Obdachlosigkeit von tausenden Menschen. So wird es nicht nur darum gehen, die Menschen zu zählen und den Kontakt mit Ihnen zu suchen. Es ist auch ein Wachrütteln unserer Gesellschaft, diese Menschen nicht zu vergessen und dieses Problem ganzheitlich anzugehen. Denn genauso wichtig wie die Beheimatung von obdachlosen Menschen ist die Verhinderung neuer Obdachlosigkeit.“
Elke Breitenbach, Mitglied des Abgeordnetenhaus und Sprecherin für Bürgerschaftliches Engagement, Die Linke
"Die Menschen auf der Straße brauchen unsere Solidarität und Unterstützung. Auch diese Berliner:innen haben eine Geschichte, die wir hören sollten. Wir brauchen mehr Informationen über ihre Lebensbedingungen und wir brauchen genauere Daten. Das ist eine Grundlage um zielgerichtet Unterstützungsmaßnahmen anzubieten."
Foto: Ben Gross
Björn Wohlert, Mitglied des Abgeordnetenhaus, Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales, CDU
"Nicht wegschauen, sondern helfen! Mit der 'Zeit der Solidarität' wird ein wichtiger Beitrag dafür geleistet, dass sich mehr Menschen in Berlin für die Überwindung von Obdachlosigkeit engagieren!"
Prof. Dr. Susanne Gerull, Alice-Salomon-Hochschule
„Als Mitinitiatorin der ersten Zählung 2020 freue ich mich, dass es nicht bei einer einzelnen medienwirksamen Aktion geblieben ist, sondern die Berliner Erhebung straßenwohnungsloser Menschen im öffentlichen Raum wiederholt und verstetigt wird. Mit dem Wechsel zwischen winterlichen und sommerlichen Zählungen sowie den sonstigen geplanten Veranstaltungen unter Einbeziehung wohnungsloser Menschen erhalten wir im Zeitverlauf wichtige Erkenntnisse über die nötige Ausgestaltung von Hilfeangeboten für akut wohnungslose Menschen.“
Mario Czaja, Präsident des Berliner Roten Kreuzes
"Das Berliner Rote Kreuz unterstützt die "Nacht der Solidarität" bereits seit Beginn der ersten Erhebung der Zahl obdachloser Berlinerinnen und Berliner im Jahr 2020. Daran haben sich seither ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unseres DRK-Wärmebus-Teams aktiv beteiligt. Die Erhebung ist deshalb so wichtig, weil zum einen der Fokus auf diese leider oft vernachlässigte Personengruppe betroffener Menschen gelegt und das Thema auf die öffentliche Agenda gesetzt wird. Zum anderen können dadurch spezifische Hilfsangebote abgeleitet und eingesetzt werden. Hier engagieren sich Helferinnen und Helfer des Berliner Roten Kreuzes tatkräftig, um die Not obdachloser Menschen zu lindern"
Stefanie Fuchs, MdA, Sprecherin für Pflege- und Sozialpolitik, DIE LINKE
„Wir haben uns den Masterplan zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit bis 2030 vorgenommen. Um die dort aufgeführten Maßnahmen zielgerichtet einsetzen zu können, benötigen wir die Zahlen aus der Erhebung. Deshalb unterstütze ich die Nacht der Solidarität."
Foto: Ben Gross
Thomas Ostermeier, Künstlerische Leitung, Schaubühne am Lehniner Platz
„In Virginie Despentes „Das Leben des Vernon Subutex“, ein Text, den wir an der Schaubühne spielen, beschreibt die Hauptfigur sein Abrutschen in die Obdachlosigkeit und seine ersten Nächte auf der Straße so: „Wenn man die Grenze erst einmal überschritten hat, passiert nichts Erschütterndes, alles verläuft unauffällig und in verwirrendem Tempo: Ich habe die Seiten gewechselt. Die Welt der Aktiven ist für mich schon weit weg. Sie haben es eilig, rennen irgendwo hin und schämen sich ihrer Angst, so zu enden wie ich…“ Das Überschreiten der Grenze, das Herausfallen aus der Welt der Abgesicherten geschieht in einer Gesellschaft, in der die Kluft zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft, erschreckend leicht. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse und ein entfesselter Wohnungsmarkt tun ihr Übriges. Wohnungslose brauchen unsere Aufmerksamkeit, mehr noch aber brauchen sie aktive, konkrete Unterstützung!“
Foto: Brigitte Lacombe
Prof. Dr. h.c. Jutta Allmendinger, Ph.D., Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB)
„Das Leben von Obdach- und Wohnungslosen zu verstehen, ihre Bedarfe zu kennen, zu helfen, mit ihnen zu reden – all das meint für mich „Zeit zur Solidarität“.“
Günter Jek, Leiter des Berliner Büros der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e. V.
"Als Akteur der freien Wohlfahrtspflege handelt die ZWST auf Basis der jüdischen Sozialethik, die zur Hilfsleitung für jeden Menschen und zur Solidarität verpflichtet. Mit unserem Berliner Team sind wir auch bei diesjährigen Erhebung gern wieder aktiv und unterstützen die Begleitangebote im Rahmen der "Zeit der Solidarität“."
Foto: ZWST / Gregor Zielke
Tobias Bauschke, Mitglied des Abgeordnetenhaus, FDP
„Das eigene Zuhause ist ein Ort der Freiheit, der jedem Menschen Sicherheit bietet. Soziale Sicherheit aber auch die ganze rudimentäre Sicherheit vor Witterungseinflüssen und Übergriffen durch Menschen oder Tiere. Die Möglichkeit des Lebens in den eigenen vier Wänden gehört zu den wesentlichen Bestandteilen moderner Zivilisation. Umso erschütternder ist es, zu sehen, wie viele Menschen in unserer Stadt unter Obdachlosigkeit leiden. Die Zeit der Solidarität rückt diese Menschen wieder in Mittelpunkt und erinnert uns daran, dass wir in unserer freien Gesellschaft jedes individuelle Leben in den Blick nehmen und bei Bedarf die Hand reichen müssen. Unfreiwillige Obdachlosigkeit ist einer der schwerwiegendsten sozialen Missstände in unserer Stadt. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, diesen Missstand mit Nachdruck zu beheben.“
Oliver Bürgel, Landesgeschäftsführers der Berliner AWO
„In den letzten Jahren sind die Lebenslagen obdach- und wohnungsloser Menschen auch aufgrund der Bemühungen aus der Senatsverwaltung näher an das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Die „Nacht der Solidarität“ im Januar 2020 war hierzu ein wichtiger Schritt. Dennoch liegt noch ein großes Stück Weg vor uns. Nach wie vor gilt, je mehr wir über die Zahlen, Bedürfnisse und Realitäten wohnungs- und obdachloser Menschen wissen, desto passgenauer und bedarfsorientierter können wir ihnen mit unseren Angeboten helfend zur Seite stehen. Entscheidend ist die Partizipation der Menschen bei der Entwicklung von neuen Angeboten. Die Nacht der Solidarität ist somit ein Beitrag zur dauerhaften Verbesserung der Situation für Menschen ohne Wohnung. Wir unterstützen deshalb das Projekt „Zeit der Solidarität“ als Weiterentwicklung der „Nacht der Solidarität“. Besonders erfreulich ist der breite Beteiligungsprozess zur Vorbereitung des Projekts sowie der Ansatz, das Potenzial von Engagierten in dieser Stadt gut und langfristig einzubinden. Als AWO in Berlin freuen wir uns auf die Umsetzung und natürlich auf die Erkenntnisse aus dem Projekt.“
Foto: AWO Landesverband Berlin/Frank Nürnberger
Dr. Gabriele Schlimper, Geschäftsführerin Paritätischer Wohlfahrtsverbands Berlin
„Wir unterstützen das Projekt „Zeit der Solidarität“ sehr. Besonders freue ich mich über die engagierte Unterstützung vieler Berlinerinnen und Berliner. Es ist enorm wichtig zu wissen, wie viele Menschen es gibt, die kein Dach über dem Kopf haben, wie sie leben und schlafen. Dieses Wissen hilft, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern.“
Foto: Boaz Arad
Erzbischof Dr. Heiner Koch
„Bereits zum zweiten Mal wird in Berlin ein besonderer Blick auf diejenigen gelegt, die im Alltag der Großstadt oft übersehen werden - obdachlose Menschen. Sie sind Wind und Wetter ausgeliefert, suchen Schutz in Häusereingängen oder unter zugigen Brücken. Sie brauchen unsere Aufmerksamkeit. Ich danke allen, die sich für Menschen ohne Obdach einsetzen, allen, die sich nicht wegdrehen, wenn sie Obdachlosen begegnen – allen, die ihnen in die Augen schauen und sie freundlich ansprechen. Ich unterstütze das Projekt „Zeit der Solidarität“ sehr gern, weil die genaue Betrachtung der Lebensumstände und die Einbeziehung der Betroffenen wesentliche Voraussetzungen sind, um wirkungsvoll helfenzu können. Die Erhebung nähert sich sensibel und respektvoll. Sie geht mit einer partizipatorischen und solidarischen Haltung auf diejenigen zu, die viel zu oft unbeachtet am Rande stehen. Ein wichtiger Schritt, der dazu beitragen kann, Menschen, „die draußen sind“ wieder in unsere Gemeinschaft hinein zu holen.“
Foto: Walter Wetzler
Ayşe Demir, Vorstandssprecherin Türkischer-Bund in Berlin-Brandenburg
„Wir leben in Berlin in einer wohlhabenden Gesellschaft. Trotzdem leben viele Menschen aus unterschiedlichen Gründen auf der Straße. Die Stigmatisierung dieser Gruppe muss ein Ende habe. Obdachlose Menschen müssen vom Sozialstaat aber auch von der Zivilgesellschaft unterstützt werden. Ihnen müssen bessere und bedarfsgerechtere Angebote gemacht werden. Und dafür bedarf es der Solidarität der Berliner Zivilgesellschaft. In diesem Sinne wird sich der TBB auch dieses Mal bei „Zeit der Solidarität“ aktiv beteiligen.“
Dr. Berndt Schmidt, Intendant des Friedrichstadt Palast
„Auch in diesen Zeiten brauchen obdachlose Menschen unsere Hilfe. Wir dürfen die Augen nicht vor ihrer Not verschließen. Die ‚Zeit der Solidarität‘ ist ein wichtiges Projekt in der Hauptstadt und ein richtiger Schritt, um die Schwächsten der Gesellschaft gezielter zu unterstützen. Auch Sie können Ihren persönlichen Beitrag dazu leisten, dass sich die Situation der Obdachlosen verbessert.“
Foto: Markus Nass
Dr. Rolf Erfurt, Vorstand Betrieb bei der BVG
„Auch dieses Jahr unterstützen wir gerne diese wichtige Aktion in Berlin. Nur mit einem genauen Überblick wird die Grundlage geschaffen, den Menschen auf Berlins Straßen gezielt zu helfen.“
Foto: Andreas Süß
Veranstaltungsreihe
Wohnungslos durch die Nacht
Im Rahmen der Zeit der Solidarität organisieren wir mit der Berliner Landeszentrale für politische Bildung die Reihe "Wohnungslos durch die Nacht" mit vier Podiumsdiskussionen, zwei Veranstaltungen für Kinder und einer Filmvorführung mit Gespräch.
Podiumsdiskussionen
Mit dem Traum vom besseren Leben machen sich auch innerhalb der Europäischen Union Menschen auf den Weg nach Berlin. Sie suchen gute Jobs mit fairen Bedingungen und ein selbstbestimmtes Leben in Berlin. Für einige von ihnen endet der Weg auf Berlins Straßen – ohne Perspektive und ohne faire Bedingungen.
Wie kommt es dazu? Welche Schnittstellen von Migration, Arbeitsmarkt und Wohnungslosigkeit sind erkennbar? Findet eine Ausbeutung der EU-Binnenmigrierenden in Berlin statt? Und wie kann der Weg weg von der Straße aussehen? Hierüber wird diskutiert mit anschließender Möglichkeit für Fragen aus dem Publikum.
Unter den wohnungslosen Menschen unserer Stadt befinden sich auch Frauen. Es gibt die Annahme, dass versteckte Wohnungslosigkeit unter ihnen hoch ist. Was bedeutet das? Gibt es frauenspezifische Risikofaktoren für den Verlust der eigenen Wohnung? Und welchen Risiken sind sie auf der Straße ausgesetzt? Hierüber wird diskutiert, mit anschließender Möglichkeit für Fragen aus dem Publikum.
Die Mietpreise im Land Berlin steigen seit Jahren massiv an und haben die Problematik der Wohnraumknappheit zusätzlich verstärkt. Wie stehen da die Chancen für Menschen, die bereits wohnungslos geworden sind oder davon bedroht sind? Und wie kann der angespannten Lage angemessen begegnet werden? Hierüber wird diskutiert, mit anschließender Möglichkeit für Fragen aus dem Publikum.
Auf Berlins Straßen leben auch sogenannte »Straßenkinder«. Es sind Kinder und Jugendliche, die kein Zuhause haben, in das sie zurückkehren können oder möchten. Außerdem gibt es eine Anzahl von Familien, die mit ihren Kindern von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Welche Wege führen sie auf die Straße? Wie ist es auf der Straße, speziell für sehr junge Menschen? Und was können wir alle tun, um sie zu unterstützen? Hierüber wird diskutiert, mit anschließender Möglichkeit für Fragen aus dem Publikum.
Workshop für Kinder
Kinder in Berlin wachsen damit auf, immer wieder wohnungslosen Menschen zu begegnen. Sie stellen sich viele Fragen und wollen Antworten bekommen. Gemeinsam wollen wir darüber sprechen, was eigentlich zu einem gelingenden Leben gehört und was es bedeutet, keine Wohnung zu haben. Wir sprechen über Schicksale, die auf die Straße führen können und überlegen, was wir alle und Kinder speziell tun können, um in einer solidarischen Gesellschaft zu leben.
Erwachsene Bezugspersonen dürfen teilnehmen, wenn es für die Kinder notwendig ist.
Filmvorführung mit Gespräch
Sophie (15) und Dominik (17) leben seit einem halben Jahr auf den Straßen rund um den Görlitzer Park in Berlin. Sie schlafen in Hauseingängen, sammeln Flaschen – und lieben sich, so bedingungslos und absolut, wie man es als Teenager tut. Sophie ist im 4. Monat schwanger, der Winter kündigt sich an und ein Gerichtstermin wartet: Dominik muss sich für mehrere Straftaten der letzten Jahre verantworten. Jahrelanger Knast droht. Ein ebenfalls obdachloser Freund schlägt vor, nach Frankreich zu fliehen. Vielleicht könnten sie dort ein neues Leben anfangen? Die Gerichtsverhandlung entpuppt sich als Chance, zurück in die Legalität zu gehen. Wenige Wochen später haben die beiden eine kleine Wohnung – mitten im Wald. Was lange das Ziel ihrer Sehnsucht war, ist nun eine Herausforderung für ihre Liebe.
Das anschließende Filmgespräch mit Mitgliedern der Vereins Straßenkinder e.V. wird von Sharon Maple moderiert – Publikumsfragen sind willkommen.
Berliner Sportvereine übernehmen die Schirmherrschaft
Pressemitteilung vom 06. Mai 2022, VskA Berlin // Fachverband der Nachbarschaftsarbeit
Die „Zeit der Solidarität“ vereint und verbindet ganz Berlin:
Hertha BSC, BR Volleys, die Füchse und Eisbären Berlin übernehmen gemeinsam die Schirmherrschaft für die „Zeit der Solidarität“! Über die Vereinsgrenzen hinweg richtet das sportliche Berlin den Blick auf den Missstand der Obdachlosigkeit in der Stadt. Die Vereine unterstützen die „Zeit der Solidarität“ und aktivieren Ihre Fanbase als Freiwillige für die berlinweite Erhebung und Befragung von obdachlosen Menschen am 22. Juni 2022.
Als Berliner Sportvereine, mit langer Tradition im Bereich des sozialen Engagements, ist die Motivation groß einen Beitrag zu leisten und Mitglieder und Fans für das Thema der Obdachlosigkeit und Wohnungsnot zu sensibilisieren:
Theresa Hentschel-Boese, Leiterin CSR-Abteilung, Hertha BSC: „Gesellschaftliches Engagement für unsere Stadt ist tief in unserer blau-weißen DNA verankert. Wir freuen uns, dass wir den Verband für sozial-kulturelle Arbeit e.V bei dieser wichtigen Aufgabe unterstützen können. Die aus der Zählung gewonnenen Erkenntnisse werden helfen, Obdachlosigkeit in Berlin besser zu verstehen und zielgerichteter Hilfen zu konzipieren.“
Bob Hanning, Geschäftsführer der Füchse Berlin: „Unser Berlin ist eine vielfältige und weltoffene Stadt, in der niemand vergessen werden darf. Die Pandemie hat die Situation für viele Menschen hier nicht einfacher gemacht, umso wichtiger ist es für uns, diejenigen, die auf Hilfe angewiesen sind, sichtbar zu machen und bestmöglich zu unterstützen. Mit dieser groß angelegten Zählung können in Zukunft Hilfsprojekte noch besser koordiniert und Bedürfnisse klar definiert werden.“
Thomas Bothstede, Geschäftsführer der Eisbären Berlin: „Wir möchten diese Zählung unterstützen, damit die Menschen ihr Leben weiter bestreiten können und die spezifischen Projekte weiter existieren. In einer Weltstadt wie Berlin, gehört die Thematik Obdachlosigkeit leider dazu aber kein Mensch hat es verdient, fallen gelassen zu werden.“
Kaweh Niroomand, Manager der BR Volleys: „Obdachlosigkeit ist ein Thema, welches sich in unserer Stadt zunehmend zu einer Herausforderung entwickelt hat. Das Ausmaß dessen zu überblicken ist wichtig, um überhaupt zielgerichtete Hilfe in die Wege leiten zu können. Diejenigen, die diese dringend benötigen, haben oftmals keine starke Lobby. Deshalb machen auch wir als BR Volleys uns seit vier Jahren als Partner der Berliner Stadtmission stark, übernehmen soziale Verantwortung und unterstützen die Schwächsten unserer Gesellschaft.“
Auch aus der Sportszene werden Freiwillige bei der Erhebung am 22. Juni aktiv. In kleinen Teams, inklusive einer geschulten Teamleitung, laufen die Freiwilligen in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni, einen festgelegten Bereich Berlins ab. Falls Sie dort obdachlose Personen antreffen, werden die Freiwilligen diese zahlenmäßig erfassen und sie nach ihrer Zustimmung anonym zu fünf Themen befragen (Alter, Geschlecht, Dauer der Wohnungslosigkeit, Herkunftsregion und Lebens-Konstellation). Die Freiwilligen können sich einen Bezirk selbst aussuchen und ihr ortskundiges Wissen einbringen. Die Freiwilligen müssen mindestens 18 Jahre alt sein und für 3 Stunden zu Fuß unterwegs sein können. Wir suchen noch dringend weitere Freiwillige! Die Anmeldung ist möglich unter: https://zeitdersolidaritaet.de/mitmachen/
Die Erhebung ist eingebettet in die „Zeit der Solidarität“, ein Projekt des VskA Berlin // Fachverband der Nachbarschaftsarbeit in Kooperation mit der FreiwilligenAgentur Marzahn-Hellersdorf und der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales. In dieser „Zeit der Solidarität“ finden viele Aktionen zum Thema Obdachlosigkeit und die Erhebung statt. Die gesammelten Erkenntnisse werden für die Steuerung der Wohnungslosenpolitik im Land Berlin gewinnbringend sein und zum Masterplan Wohnungslosigkeit beitragen.
Fachbeirat und Methodik der Erhebung
Der Fachbeirat
Zum diesjährigen Fachbeirat des Projekts “Zeit der Solidarität” gehören erneut Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen - allen voran Prof. Dr. Susanne Gerull von der Alice-Salomon Hochschule Berlin; Personen mit Wohnungslosigkeits-Erfahrung, wie zwei der Stadtführer von querstadtein e.V.; Vertretung aus der Senatsverwaltung; einzelne Referenten und Referentinnen aus dem Bereich Wohnungsnotfallhilfe/Politik der LIGA Wohlfahrtsverbände; Straßensozialarbeiter und Straßensozialarbeiterinnen und der Freiwilligen-Koordinator der FreiwilligenAgentur Marzahn-Hellersdorf.
Der Fachbeirat hat sich im März und April 2022 in drei Sitzungen getroffen, um die Methodik der diesjährigen Erhebung am 22. Juni 2022 erneut zu beschließen. Über mögliche Änderungen wurde (ausgiebig) diskutiert und ein Konsens gefunden. Trotz ein paar Änderungen bleibt das Grundgerüst der Methodik aus 2020 bestehen.
Die Methodik
Was bleibt bestehen?
Die Zielgruppe der Erhebung sind weiterhin Personen, die von Obdachlosigkeit betroffen sind und am Stichtag auf der Straße sowie in Notunterkünften übernachten.
Dementsprechend werden erneut obdachlose Berliner und Berlinerinnen auf der Straße (im öffentlich begehbaren Raum), auf Bahngelände und Bahnhöfen, in Notunterkünften und in den Rettungsstellen der Krankenhäuser zahlenmäßig erfasst und anonym befragt - von der Erhebung ausgeschlossen sind 24/7 Unterkünfte, Gesundheitszentren, die Psychiatrischen Kliniken, sowie Tagestreffs.
Alle öffentlich begehbaren Parks und Grünanlagen werden entweder von Sonder-Teams oder von normalen Freiwilligen-Teams abgelaufen - größere Wälder wie der Grunewald werden nicht begangen.
Der Zeitraum der Erhebung beginnt erneut um 22 Uhr und endet, wenn möglich, um 1 Uhr
Die Teamleitungen werden erneut im Vorfeld verpflichtend geschult und für die Begegnung mit obdachlosen Personen sensibilisiert
Die 5 Fragen des Kerndatensatzes aus 2020 werden ebenfalls beibehalten (Alter, Geschlecht, Dauer der Wohnungslosigkeit, Herkunftsregion und Lebens-Konstellation)
Info-Material mit minimalen, essentialen und verständlich gehaltenen Informationen und Hilferufnummern für wohnungslose Menschen werden ebenfalls zur Verteilung angeboten.
Was verändert sich?
Der Zeitraum für die Vorbereitung an den Sammelpunkten wird verkürzt und mit alternativem Programm gefüllt - das Zusammentreffen beginnt ab 20 Uhr. Der Fokus liegt hierbei auf der Vorbereitung der freiwilligen Helfer und Helferinnen.
Für alle Freiwilligen, die keine Teamleitung übernehmen und somit nicht im Vorfeld geschult werden, wird ein Erklärvideo erstellt. Das Video greift die Verhaltensregeln und die erwartete und erforderliche Haltung der Freiwilligen auf.
Die Kommunikation über den Sinn und Zweck der Erhebung an obdachlose Berliner:innen erfolgt - zusätzlich zu den Mitteln aus 2020, per Flyer und Aushänge in Tagesstätten, Notunterkünften und Bahnhöfen - durch eine persönliche Besuchstour in den Wohnungslosentagesstätten und durch die Informationsweitergabe an Mitarbeitende und Ehrenamtliche der Einrichtungen.
Was wird noch geklärt?
Die Kartenausschnitte und der eventuelle Verkleinerungsbedarf, für die einzelnen Erhebungsbereiche werden in den kommenden Bezirks-Workshops überarbeitet. Die Festlegung von Bereichen als "Hotspots" erfolgt ebenfalls durch die Bezirks-Workshops.
Worüber wurde besonders stark diskutiert?
Über die Schulung der Freiwilligen - nicht der Teamleitungen - wurde ausgiebig gesprochen. Bei der Erhebung im Jahr 2020 wurden den Freiwilligen ein Verhaltenskodex ausgehändigt und zuvor ein Fragenkatalog zur Selbstinformation bereitgestellt. Es wurde sich darauf geeinigt, dass dies nicht ausreichend ist, da bei einigen Freiwilligen grundlegende Fragen nicht beantwortet schienen und die richtige Haltung nicht gut genug vermittelt wurde. Die Lösung hierfür ist das bereits erwähnte Erklärvideo und das Programm an den Sammelpunkten am Tag der Erhebung.
Im Raum stand auch eine Erweiterung des Fragenkatalogs, um die Frage des Auslösers der Wohnungslosigkeit. Es wurde sich dafür entschieden, die Frage nicht mit aufzunehmen, unter anderem, da der Auslöser nicht unbedingt ersichtlich ist und ein solches Gespräch die Freiwilligen überfordern könnte.
Eine langwierige Diskussion wurde durch eine mögliche Aufwandsentschädigung für die befragten Personen entfacht. Die Meinungen hierbei gingen stark auseinander - es gab bedenken darüber, dass eine Entschädigung als Bestechung aufgefasst werden könnte, was das Ziel der Entschädigung um längen verfehlt hätte. Auch die Überlegung darüber, was gegeben wird, wenn etwas gegeben wird, war lang und ausführlich. Denn praktische Gegenstände oder Wasserflaschen hätten die logistischen Fähigkeiten der Erhebungsteams überstiegen und die Autonomie der befragten in Frage gestellt. Es wurde sich darauf geeinigt, dass wenn eine Aufwandsentschädigung verteilt wird, dies in Form eines Gutscheins von einem Supermarkt geschieht. Zu diesem Zeitpunkt war es logistisch und finanziell nicht umzusetzen und wird daher als Vorsatz für die dritte Erhebung mit sorgfältiger Vorbereitung vertagt.
Auf die Aufwandsentschädigung, als Form der Wertschätzung, konnte sich der Fachbeirat nach langwierigen Diskussionen einigen. Die Beschaffung dessen ist eine zusätzliche organisatorische Herausforderung, an dessen Umsetzung wir jetzt arbeiten.
Ursprung der Erhebung in Berlin
Wie kam es zur „Nacht der Solidarität“?
Schon seit mehreren Jahren forderten Wohlfahrtsverbände, Sozialarbeiter*innen sowie Expert*innen und Träger der Wohnungslosenhilfe, dass eine Wohnungslosenstatistik eingeführt wird. Eine solche Statistik kann und soll Erkenntnisse liefern, aufgrund derer nachhaltige Hilfsangebote erschaffen und politische Entscheidungen getroffen werden können.
Am 10.01.2018 bekam dann eine Arbeitsgruppe (AG) den Auftrag, eine Wohnungsnotfallstatistik für Berlin zu entwickeln. Die Leitung dieser Arbeitsgruppe übernahm Prof. Dr. Susanne Gerull. Den Auftrag für diese Arbeitsgruppe erteilte die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, (SenIAS), im Rahmen der Berliner Strategiekonferenz zur Wohnungslosenhilfe.
Die AG „Wohnungsnotfallstatistik“ erarbeitete den Vorschlag für eine dreiteilige Statistik. Eine davon die Erfassung von „akut obdachlosen Menschen“ durch eine Straßenzählung. Neben den klassischen Erhebungen durch freie Träger und Behörden, sollte eine Straßenzählung im öffentlichen Raum dazu führen, dass beispielsweise auch Menschen die keinen Kontakt zum Hilfesystem haben, erfasst und damit in der Statistik sichtbar werden. Die für 2020 Entwickelte Methode für die erste Zählung und Befragung von obdachlosen Menschen -„Nacht der Solidarität“- ist ein Ergebnis dieser mehrjährigen Arbeit der AG, an der neben Akteuren aus Politik, Wissenschaft, dem Wohnungsnotfallhilfe System, Personen mit Wohnungslosigkeits-Erfahrung beteiligt waren. Die Ergebnisse der AG sind hier zu finden.
Bild: Adamczyk
Am 3. September 2019 beschloss der Senat Berlin, aufgrund der Strategiekonferenz, neue Leitlinien für die Wohnungslosenhilfe. Neben der Verbesserung der Steuerung für die Unterbringung, der Vereinheitlichung des Verwaltungshandelns der Bezirke und der Ausweitung des Angebots geeigneter Räume, stellt der Aufbau einer Wohnungslosenstatistik ein Kernthema dieser Leitlinien dar. So wurde ein Team aus der Senatsverwaltung für die Umsetzung, der von der AG erarbeiteten Methode der Straßenzählung, in 2019 beauftragt. Dieses Team, unter der Leitung von Klaus-Peter Licht, organisierte dann die „Nacht der Solidarität“. Die Ergebnisse der „Nacht der Solidarität“ in 2020 und die der Zählung und Befragung in der „Zeit der Solidarität“ in 2022 tragen, als ein Baustein, zur Entstehung der sich im Aufbau befindenden Wohnungslosenstatistik bei.
Als Vorbilder für die Methodik der Zählung und Befragung im öffentlichen Raum nutzte die AG internationale Beispiele von Datenerhebungen. Insbesondere die seit mehr als 5 Jahren durchgeführte Methode einer Straßenzählung und Befragung in Paris war Vorlage für die Berliner Erhebung. Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus Paris waren sehr hilfreich bei der Planung und Umsetzung der „Nacht der Solidarität“ in 2020. Auch in vielen US Amerikanischen Metropolen lassen sich viele Beispiele ähnlicher Erhebungsmethoden finden, die dort zum Teil schon seit Jahrzehnten jedes Jahr stattfinden.
Rückblick auf die „Nacht der Solidarität“ 2020
Die zweite Zählung und Befragung von obdachlosen Berliner:innen findet am 22. Juni 2022 statt!
Aber wie verlief eigentlich die erste Zählung und Befragung in 2020 – die „Nacht der Solidarität“?
Erfasst wurden in dieser Nacht 1.976 obdachlose Menschen (im öffentlichen Raum oder in den Notübernachtungen der Kältehilfe). Dabei handelte es sich nicht um eine absolute Zahl, sondern die Mindestanzahl von obdachlosen Berlinern und Berlinerinnen. Wer in dieser Nacht zum Beispiel Rückzug in einer Garage oder Hauseingang finden konnte, oder doch kurzfristig bei Bekannten untergekommen ist, wurde nicht erfasst. Wohnungslose Menschen kommen in dieser Statistik also nicht drin vor.
Trotzdem, war die Mindestanzahl eine wichtige Erkenntnis und muss mit den Ergebnissen zukünftiger Zählungen verglichen werden um aussagekräftige Ergebnisse über die Tendenz des Ausmaßes von Obdachlosigkeit erzielen zu können.
602 obdachlose Personen haben die freiwillige und anonyme Befragung mitgemacht. Die Ergebnisse der Befragungen boten einen Einblick in die soziodemografischen Hintergründe, wie Alter oder Geschlecht, der obdachlosen Menschen in Berlin. Eine eindeutige Erkenntnis war, zum Beispiel, dass unter den erfassten obdachlosen Personen, sowohl auf der Straße als auch in der Kältehilfe, Menschen mit Herkunft aus nicht-deutschen EU-Staaten die Mehrheit bilden.
Es haben 2.601 Freiwillige an der „Nacht der Solidarität“ teilgenommen, wovon 61% weiblich waren und 20% von Ihnen bereits, beruflich oder ehrenamtlich, Erfahrungen in der Begegnung mit obdachlosen Mitbürger:innen hatten. 1.000 dieser Freiwilligen wurden im Vorfeld zu Teamleitungen geschult, um in der Nacht der Zählung und Befragung ihr Team zu leiten. Ohne all die Freiwilligen wäre die „Nacht der Solidarität“ nicht möglich gewesen. Auch die Kälte- / Wärmebusse der Stadtmission bzw. des DRK waren in der "Nacht der Solidarität" im verstärkten Einsatz, haben Tee und Bekleidung angeboten und haben zu Gesprächen eingeladen und sich an der Befragung beteiligt.
Insgesamt gab es 617 Zählräume, von denen 19 zu „Hotspots“ erklärt wurden und von Sonderteams gezählt wurden. Die Teams wurden von hauptamtlichen Mitarbeitenden des Wohnungslosenhilfesystems Berlin geleitet – „Hotspots“ sind Gegenden mit besonders vielen von Obdachlosigkeit betroffenen Menschen. 615 dieser 617 Zählräume konnten in der Nacht der Solidarität abgegangen werden, das entspricht grandiosen 99,7%!
Diese Eckdaten und das starke Engagement machen große Hoffnung auf das Gelingen der kommenden Zählung und Befragung. Obwohl man leider sagen muss, dass der Ausbruch der Pandemie damals dem Projekt, bzw. der Auswertung der Ergebnisse große Steine in den Weg gelegt hat. Zum einen, konnten nicht alle Dankeschön-Veranstaltungen stattfinden. Des Weiteren sollte die Auswertung in einem festen Team bis Ende April 2020 andauern, musste jedoch aufgrund der Pandemie auf Ende März 2020 verkürzt werden. Die Ergebnispräsentationen mit Mitarbeitenden der Bezirksämter und Träger mussten gestrichen werden, außerdem konnte kein persönlicher Austausch und gemeinsame Erörterung der Ergebnisse stattfinden.
Internationale Beispiele
Mit der Erhebung der Anzahl obdachloser Menschen folgt Berlin internationalen Beispielen. Denn in vielen Städten weltweit werden seit Jahren Erhebungen durchgeführt, um das Ausmaß von Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit in den jeweiligen Städten zu erfassen. Die Zählungen und Befragungen finden in den meisten Städten in einer Nacht im Januar statt. Hier ein kurzer Einblick in die unterschiedlichen Herangehensweisen dreier Städte:
Paris, Frankreich: La Nuit de la Solidarité
In Paris läuft die Erhebung unter dem Namen „La Nuit de la Solidarité“ und sie fand mit diesem Jahr schon zum 5. Mal statt. Auf der Pariser Erhebungsmethode basiert auch das Berliner Konzept der ersten Erhebung im Januar 2020 und der zweiten am 22. Juni 2022. Neu war dieses Jahr in Paris, dass die Erhebung auf die Metropolregion ausgeweitet wurde. Zehn Gemeinden von „Grand Paris“ nahmen Teil.
Auch in Paris, ist es das Ziel, die ungefähre Anzahl der Menschen ausfindig zu machen, die ohne stabile Unterkunft leben und ihre Profile, Hintergründe und vor allem ihre Bedürfnisse besser kennenzulernen. Eines der Mittel zum Zweck: öffentliche Hilfen besser an die Bedarfe anzupassen. Dieses Jahr wurde die „La Nuit de la Solidarité“ auch mit der Erfassung von Obdachlosen im Rahmen der allgemeinen Volkszählung (von Insee, das nationale „Institute of statistics and economic studies“) zusammengelegt. Das heißt, neben den Fragebögen der „NdlS“ wurden auch die Erhebungsbögen dieses Nationalen Instituts mit einbezogen.
Für interessierte und motivierte Pariser stehen nach der Nacht die Türen der „La Fabrique de la Solidarité“ offen. Hier können sie sich über andere Projekte und Engagement Möglichkeiten informieren, um ihren obdach- und wohnungslosen Nachbarn zu helfen.
Auch in Boston wird jährlich im Januar der “Boston Homeless Census” durchgeführt - und das schon seit 40 Jahren! In Boston werden in der Erhebung alle Formen der Wohnungslosigkeit erfasst. Diese jährliche Datengrundlage scheint sich für die Entwicklung effektiver Maßnahmen zur Bekämpfung von akuter Obdachlosigkeit bewährt zu haben. In Boston sind "nur" 2% aller wohnungslosen Menschen obdachlos, also auf der Straße. Das ist sehr wenig im Amerikanischen Vergleich, denn der Durschnitt liegt bei 37%. Hier ein Artikel zum Nachlesen: https://www.wbur.org/.../homeless-census-boston-pandemic....
Die Erhebung in Boston wird außerdem mit einer ausführlichen Befragung der angetroffenen obdachlosen Personen verknüpft. Fragen wie: “Was ist Ihre Geschichte mit Obdachlosigkeit? Welche Hilfen haben Sie erhalten? Was hatte Covid-19 für Auswirkungen auf Ihr Leben?”. Hier zu den Ergebnissen aus Boston in 2021: https://www.boston.gov/.../2021/04/2021%20Census%20Memo.pdf
Um die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren findet in Boston, als Partnerveranstaltung, jedes Jahr im Februar der Winter Walk statt. Die ganze Stadt ist dazu eingeladen, um in Solidarität mit wohnungslosen Menschen zusammen durch die Stadt zu spazieren. Am Start- und Zielort kommen wohnungslose Menschen zu Wort, um ihre Geschichten zu teilen, und stadtweite Hilfsorganisationen stellen sich vor, um Menschen aufzuklären und zu engagieren!
(Bilder: WinterWalkBoston, 2020, Fotos von Chris Shane, Evgenia Eliseeva, Stewart Ting Chong & Belinda Soncini)
New York, USA: HOPE (Homeless Outreach Population Estimate)
In New York City läuft die Erhebung unter dem Namen HOPE - Homeless Outreach Population Estimate und wird vom Department of Homeless Services (DHS) New York durchgeführt. HOPE findet seit 17 Jahren, also seit 2005 jedes Jahr im Januar statt. Wie auch bei der Erhebung in Berlin werden für HOPE Tausende Freiwillige (in 2020 waren es ungefähr 2,500 New Yorker) engagiert, und zusätzlich hunderte Sozialarbeiter:innen und Mitarbeitende des DHS rekrutiert. Die Erhebung findet auch nachts, zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens statt.
Die Methodik der Datenerhebung ist allerdings etwas anders als die, die in Berlin oder Paris angewendet wird. Bei HOPE in New York werden gezielt alle Bereiche der Stadt durchlaufen von denen die Stadt weiß, dass sich obdachlose Menschen dort aufhalten, also die dicht besiedelten Bezirke und das gesamte U-Bahn Netz. Hinzukommen nach dem Zufallsprinzip ausgewählte, dünn besiedelte Bereiche. Die Ergebnisse aus diesen Bereichen werden dann genutzt, um zu schätzen wie viele weitere obdachlose Menschen sich wohl in dieser Nacht in den nicht abgelaufenen Bereichen der Stadt aufgehalten haben. Diese Methodik scheint, vor allem mit Hinblick auf die enorme Fläche der Stadt und die zum Teil sehr dünn besiedelten Außenbezirke der Stadt, sinnvoll.
Anders ist auch, dass die Erfassung demografischer Daten der angetroffenen Menschen (z.B. Alter und Geschlecht), ohne deren Einverständnis erfolgen kann. In New York lautet die Anweisung laut der Befragungsbögen beim Datensatz "Altersgruppe": "Ask if awake, observe (to your best judgment) if asleep." (Übersetzung: Nachfragen wenn wach, Beobachten (nach bester Beurteilung) falls schlafend. Beim Geschlecht und der Ethnie der angetroffenen Person wird sogar nur nach Beobachtung erfasst und gar nicht nachgefragt, selbst wenn die Person wach ist. Ein weiterer Unterschied zu Berlin und Paris ist, dass an HOPE keine sozial-kulturellen Veranstaltungen zu den Themen Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit geknüpft sind.
Zu den Ergebnissen der Erhebung in New York:
Bei einer Einwohnerzahl von 8,8 Millionen Menschen und im Vergleich zu anderen Städten, scheint das Ergebnis, vom Januar 2021 von 2,376 zahlenmäßig erfassten Menschen die auf der Straße nächtigten, nicht besonders viel. Der New Yorker Kontext ist aber ein besonderer, denn in New York gilt das umstrittene “right to shelter”, also das Recht auf eine Unterkunft - nicht aber auf Wohnraum. So gibt es in New York ein sehr großes - und viel kritisiertes - “shelter system”, in dem, laut der Coalition for the Homeless New York im Januar 2021 (zum Zeitpunkt der letzten Erhebung) knapp 56,000 Tausend Wohnungslose Menschen unterkamen. Mehr dazu hier: https://www.coalitionforthehomeless.org/facts-about.../. Auf diese Zahl sollte man sich also beziehen, wenn man den Notstand der Wohnungslosigkeit in New York thematisieren möchte.
Wegen Corona, wurde in New York die Erhebung in 2021 nicht mit tausenden Freiwilligen sondern nur mit den von der Stadt Angestellten und statt in einer, über vier Nächte hinweg, durchgeführt. So auch bei der Erhebung in 2022, die am 25. Januar beginnt.
In den großen Amerikanischen Metropolen wird die Datenerhebung seit Jahren vom U.S. Department of Housing and Urban Development (HUD) eingefordert und ist unter dem McKinney-Vento Homeless Assistance Act von 1987 an staatliche Gelder für die Finanzierung der Wohnungsnotfallhilfe geknüpft. Wer Daten liefert, um das Ausmaß von Obdachlosigkeit besser darzustellen, kriegt Zuschüsse für die Bekämpfung. Eine gängige Kritik an dem McKinney-Vento Homeless Assistance Act ist allerdings, dass sich die damit finanzierten Programme auf Notfallhilfen beschränken: “[...] it responds to the symptoms of homelessness, not its causes.” (Laut der Einschätzung der National Coalition for the Homeless: https://web.archive.org/.../publications/facts/McKinney.pdf)
Projekt Newsletter
Um sich über das Projekt Zeit der Solidarität des VskA Berlin auf dem Laufenden zu halten, bietet es sich an, den Zeit der Solidarität - Newsletter zu abonnieren.
In dem Newsletter informiert das Projektteam monatlich über Neuigkeiten im Projekt und Veranstaltungen zu den Themen Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit in Berlin.
Die Gäste und Mitarbeitenden der Einrichtungen über das Vorhaben zu informieren
Erfahrungen und Meinungen zu der letzten Zählung einzuholen
Fragen zu beantworten und potenzielle Sorgen und Ängste zu mindern
Interessierte Menschen zu engagieren und Sie zu unserer Fachtagung im Dezember einzuladen
So unterschiedlich wie Menschen, die Wohnungslosigkeit erfahren, natürlich sind, so vielfältig waren auch die Reaktionen auf unser Vorhaben.
Manche von ihnen hatten starke Meinungen, wollten ihre Ansichten teilen, und kamen gerne ins Gespräch, andere wollten nur ungerne in einem Moment der Ruhe und Rast gestört werden, und so fragten wir lediglich, ob sie einen Flyer mit den wichtigsten Infos haben möchten - was einige von ihnen auch annahmen. Manche andere hatten viele Fragen, andere waren bestens informiert und konnten sich auch an die letzte Zählung erinnern.
Von denjenigen die sich an die letzte Zählung erinnern konnten, hörten wir sehr unterschiedliche Erfahrung. Da waren, zum Beispiel, zwei Freunde die uns erzählten, dass Sie sich gefreut haben, dass sie damals vom Team des Kältebus Berlin während der Befragung einen warmen Kaffee ausgeschenkt bekamen. Oder ein Mann der sagte, er hätte sich ja zählen lassen wollen, aber er wurde an seinem Schlafplatz nicht gefunden. Um nur zwei der vielen Eindrücke zu nennen...
Unser Projektteam hat nun viel zu tun, diese Eindrücke und Erfahrungsberichte in die weitere Projektplanung einfließen zu lassen!