Ergebnisbericht 2022
207 obdachlose Berliner:innen haben uns von Ihren Problemen, Herausforderungen, Erfahrungen, Wünschen und Forderungen berichtet! Zufrieden können wir Ihre Berichte als Ergebnisse der ersten Runde „Zeit für Gespräche“ mit obdachlosen Menschen in unserem Ergebnisbericht 2022 vorlegen. Wir hoffen, dass die Ergebnisse sensibilisieren und zum Handeln anregen!
Die Ergebnisse der 207 Gespräche mit obdachlosen Menschen sind bedeutsam, insofern als dass sie die ersten ihrer Art sind, die in Berlin gesammelt wurden und damit auf neue Weise Einblicke in die Lebenslagen und Perspektiven von obdachlosen Menschen bieten. Den befragten obdachlosen Personen wurden eine Reihe standardisierter demografischer Fragen und bis zu neun offene, qualitative Leitfragen zu Ihren Erfahrungen, Problemen und Ansichten gestellt.
Berichterstattung:
- Artikel zum Bericht vom 31.01.2023 von nd Journalistin Lola Zeller.
- Artikel über Gewalt und Diskriminierung gegen obdachlosen Menschen vom 03.20.2023 von nd Journalistin Lola Zeller.
- Artikel über Gewalt und Diskriminierung gegen obdachlosen Menschen vom 07.02.2023 von Tagesspiegel Journalist Gerd Nowakowski.
- Artikel über die Forderung von Zeit der Solidarität nach eine parteiliche Beschwerdestelle für obdachlosen Menschen vom 08.02.2023 von taz Journalistin Susanne Memarnia.
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse:
Die demografischen Daten zeigen, dass eine diverse und einigermaßen repräsentative Gruppe von Menschen befragt wurde und dennoch spiegeln die Ergebnisse nur einen kleinen Ausschnitt von Perspektiven wieder. Zu betonen ist, dass – von den 124 im November 2022 befragten Personen – die Mehrheit der Befragten aus dem EU-Ausland oder aus Drittstaaten kommen und dass ein Drittel der Befragten angab, kein Deutsch zu sprechen. Wir konnten also eine Untergruppe von obdachlosen Berliner:innen mithilfe von Übersetzer:innen für sechs verschiedene Sprachen erreichen, die ohne diese Hilfe sehr selten bis gar nicht zu Wort kommen. Des Weiteren war knapp die Hälfte der Personen zum Zeitpunkt der Befragung langzeit-obdachlos, d.h. seit mindestens drei Jahren.
Die qualitativen, offenen Fragen sprechen einzelne Themen an und machen auch die Gewinnung von spezifischen Erkenntnissen möglich.
Die erhobenen Daten sprechen eindeutig dafür, wie wichtig es ist, das System der Notübernachtungen zu überwinden, stattdessen sollten langfristigere Möglichkeiten wie 24/7 Unterkünfte und insbesondere Wohnungen zur Verfügung gestellt werden. Das Fehlen einer eigenen Wohnung bringt eine Vielzahl weiterer, von den Befragten genannten Probleme mit sich und eine erhebliche Benachteiligung im täglichen Leben. Das wichtigste Bedürfnis ist also, eine Wohnung zu haben.
Seelische, persönliche und zwischenmenschliche Herausforderungen stellen im Leben der Befragten die meistgenannte Belastung dar. Dramatisch ist, dass es für deren Lösung kaum Angebote gibt, die bei der Bewältigung helfen könnten.
Gewalt und Diskriminierung, das geht klar aus den Ergebnissen hervor, sind für die Meisten obdachlosen Bürger:innen allgegenwärtig, ob selbst Opfer oder Zeuge.
Das Hilfesystem wird umfangreich genutzt, jedoch werden die Notübernachtungen spezifisch gemieden, die als unsicher, unhygienisch und überfüllt gelten. Auch werden oft Besuche bei jeglichen Ämtern und anderen Stellen gemieden, weil sie als nicht zielführend und frustrierend wahrgenommen werden.
Schließlich halten wir es für wichtig, unter dem Gesichtspunkt der Prävention, den Mangel an staatlicher Unterstützung bei der Wohnungsfrage, aber auch bei familiären (zwischenmenschlichen) Problemen der Befragten, als Hauptursache für ihre Obdachlosigkeit deutlich zu machen. Daneben ist auch die mangelnde Vermittlung in sichere und faire Arbeitsverhältnisse zu benennen.
Jedoch ist die wesentliche gesamt Erkenntnis der Befragungen die, dass Obdachlosigkeit ein Teufelskreis ist, in dem diverse Problemlagen und Lebensthemen, vom psychisch-seelischen Zustand, über Gesundheit, Arbeit, Familie, bis hin zu Bürokratie miteinander verbunden sind und meist negativ aufeinander einwirken. Eine Aufgabe, der sich die „Zeit der Solidarität“ stellen will, ist eine Art Engagement und Zusammenarbeit mit und unter Betroffenen zu ermöglichen und zu erleichtern und denjenigen, die bereits ihr Interesse daran geäußert haben, die Möglichkeit dazu zu geben.