Zeit für Gespräche – Erste Ergebnisse
Am 20. Juli 2022 haben wir, im Rahmen der “Zeit für Gespräche”, gemeinsam mit dem Aktionsbündnis Solidarisches Kreuzberg und der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V. in das Nachbarschaftshaus Urbanstraße eingeladen, um die Ergebnisse zu präsentieren und einen Ort der Begegnung zu schaffen - Hier ein Rückblick!


Über 50 Gäste haben den Weg ins Nachbarschaftshaus gefunden. Mehr als wir erwartet hatten, das hat uns alle riesig gefreut! Die Meisten von ihnen gaben an eigene Erfahrung mit Wohnungslosigkeit oder Armut zu haben. Auch vier Übersetzer:innen für die Sprachen polnisch, russisch, rumänisch und bulgarisch haben wir eingeladen.
Gestartet hat die Veranstaltung mit einer Begrüßung und der Präsentation von den Ergebnissen aus 41 geführten Gesprächen (komplette Auswertung hier). Anschließend folgte eine anregende Diskussion über die Ergebnisse. Der Fokus der Veranstaltung lag darauf mit Betroffenen ins Gespräch zu kommen, ihnen zuzuhören und mehr über ihre täglichen Herausforderungen und Wünsche zu erfahren.
Begleitet wurde das gesamte Programm von Live-Musik und einem Buffet. Im Voraus haben wir zu Sachspenden aufgerufen und Hygieneartikel sowie Schlafsäcke besorgt. Nach Bedarf durfte sich bedient werden! Auch hier kamen wir immer wieder ins Gespräch und haben wertvolle Tipps bekommen für weitere Spendenaufrufe und -aktionen. Einen Tisch mit Infomaterial über Einrichtungen, Vereine, Veranstaltungen etc. haben wir am Eingang bereit gestellt.


World-Café
Nach der Essenspause wurde an vier verschiedenen Tischen über folgende Themen diskutiert:
- Diskriminierung & Rassismus auf der Straße
- Sachspenden & Bedarfe
- Probleme in Einrichtungen
- Verwendung der Ergebnisse aus den Gesprächen
Ziel war es, Probleme und Missstände zu benennen und mögliche Lösungen dafür vorzuschlagen. Die Ergebnisse wurden dann zum Ende der Veranstaltung vorgestellt und einige Punkte nochmal in großer Runde diskutiert. Hier ein kleiner Einblick in die Ergebnisse aus dem World Café:
Am Tisch Materielle Bedarfe und Sachspenden kam unter anderem heraus, dass Hygiene eine große Herausforderung darstellt. Gründe dafür sind zu wenig und zu teure Toiletten und Duschen, kein oder schwerer Zugang zu Friseur:innen oder auch die fehlende Möglichkeit eine Waschmaschine zu nutzen. Vorgeschlagene Lösungen waren hier kostenlose Dusch-, Wasch- sowie Toilettenmarken und die Nutzung von Schwimmbädern zum duschen. Ein weiteres Problem ist die Mobilität, Anlaufstellen für kostenlose ÖPNV Tickets wurden als Wunsch geäußert. Kostenlose Tickets würden auch das Problem von schwierigem Zugang zu Strom WLAN vereinfachen (jedoch nicht gänzlich lösen) - in immer mehr Bussen befinden sich USB Slots und an den meisten S- und U-Bahnhöfen gibt es kostenfreies WLAN. Weitere Themen waren der Zugang zu kostenlosen Schließfächern mehr Sachspenden und Essensausgaben (auch Sonntags), unbürokratischen Zugang zu Arbeit, Repair Cafés für z.B. Rollstühle oder Nähwerkstätten,
Der Tisch Herausforderungen in Einrichtungen war sich einig, dass viele Missstände auf großen Fachkräftemangel und fehlende eigene Erfahrung von Sozialarbeiter:innen zurückzuführen ist. Dem könnte begegnet werden, indem man (ehemals) Betroffene aktiv in in die Beratung mit einbindet und ihre Kompetenzen anerkennt und nutzt. Konflikte könnte man mit unparteiischen Schlichtfristen versuchen zu lösen und Diskriminierung in Wohnheimen sollten dokumentiert werden. Themen wie Sauberkeit und Sicherheit könnten mit Putzplänen und Schließfächern verbessert werden. Außerdem wurde auf die Verminderung von Bevormundung und die Stärkung von Eigenverantwortung und Selbstständigkeit hingewiesen, vielleicht auch unterstützt durch Workshops.


Beim Tisch “Verwendung der Daten aus der Zeit für Gespräche” wurde über zwei Themen besonders gesprochen. Wohnungen und medizinische Versorgung. Probleme bei Wohnungen waren unter anderem bezahlbarer Wohnraum, Leerstand und komplizierte Antragstellung. Als mögliche Lösung wurden zum Beispiel der Mieten-Deckel oder eine vereinfachte WG-Gründung vorgeschlagen. Im Bereich der medizinischen Versorgung wurden die vermehrten online Terminvergaben und die Möglichkeit Termine wahrzunehmen als Problem identifiziert. Aber auch eine fehlende Krankenversicherung und die Kosten für den ÖPNV wurden angesprochen. Mögliche Lösungen wären hier ein Container am Hermannplatz, Arztmobile bei Essensausgaben oder Duschmobils am Hermannplatz.
Am vierten Tisch wurde “Diskriminierung von wohnungs- und obdachlosen Menschen” besprochen. Gelegentlich würden Konflikte zwischen Anwohner:innen und obdachlosen Menschen entstehen, wenn Anwohner:innen sich belästigt oder gar bedroht fühlten. In einigen Bezirken werden Konfliktlots:innen als Vermittler:innen zwischen den Parteien eingesetzt.
Ein besonderer Fokus des Tisches lag auf dem Thema Rassismus. Die Teilnehmenden teilten den Eindruck, dass die Anzahl rassistischer Angriffe gestiegen sei. Vor allem unzureichende Deutschkenntnisse von obdachlosen Menschen aus EU- und Drittstaaten führen zu Rassismus und Diskriminierung. Angebote für kostenlose Deutschkurse könnten dem Problem entgegenwirken. Als positives Beispiel im Umgang mit wohnungslosen, nicht-deutschsprachigen Menschen wurde die Vorgehensweise mit und die Hilfsbereitschaft für ukrainische Geflüchtete seit dem Ausbruch des Kriegs im Februar 2022 genannt. Dieser Umgang wurde sich auch für Menschen aus anderen Ländern gewünscht. Ein weiteres Thema war die Diskriminierung aufgrund des Alters.

