Fachbeirat und Methodik der Erhebung
Der Fachbeirat
Zum diesjährigen Fachbeirat des Projekts “Zeit der Solidarität” gehören erneut Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen - allen voran Prof. Dr. Susanne Gerull von der Alice-Salomon Hochschule Berlin; Personen mit Wohnungslosigkeits-Erfahrung, wie zwei der Stadtführer von querstadtein e.V.; Vertretung aus der Senatsverwaltung; einzelne Referenten und Referentinnen aus dem Bereich Wohnungsnotfallhilfe/Politik der LIGA Wohlfahrtsverbände; Straßensozialarbeiter und Straßensozialarbeiterinnen und der Freiwilligen-Koordinator der FreiwilligenAgentur Marzahn-Hellersdorf.
Der Fachbeirat hat sich im März und April 2022 in drei Sitzungen getroffen, um die Methodik der diesjährigen Erhebung am 22. Juni 2022 erneut zu beschließen. Über mögliche Änderungen wurde (ausgiebig) diskutiert und ein Konsens gefunden. Trotz ein paar Änderungen bleibt das Grundgerüst der Methodik aus 2020 bestehen.
Die Methodik
Was bleibt bestehen?
- Die Zielgruppe der Erhebung sind weiterhin Personen, die von Obdachlosigkeit betroffen sind und am Stichtag auf der Straße sowie in Notunterkünften übernachten.
- Dementsprechend werden erneut obdachlose Berliner und Berlinerinnen auf der Straße (im öffentlich begehbaren Raum), auf Bahngelände und Bahnhöfen, in Notunterkünften und in den Rettungsstellen der Krankenhäuser zahlenmäßig erfasst und anonym befragt - von der Erhebung ausgeschlossen sind 24/7 Unterkünfte, Gesundheitszentren, die Psychiatrischen Kliniken, sowie Tagestreffs.
- Alle öffentlich begehbaren Parks und Grünanlagen werden entweder von Sonder-Teams oder von normalen Freiwilligen-Teams abgelaufen - größere Wälder wie der Grunewald werden nicht begangen.
- Der Zeitraum der Erhebung beginnt erneut um 22 Uhr und endet, wenn möglich, um 1 Uhr
- Die Teamleitungen werden erneut im Vorfeld verpflichtend geschult und für die Begegnung mit obdachlosen Personen sensibilisiert
- Die 5 Fragen des Kerndatensatzes aus 2020 werden ebenfalls beibehalten (Alter, Geschlecht, Dauer der Wohnungslosigkeit, Herkunftsregion und Lebens-Konstellation)
- Info-Material mit minimalen, essentialen und verständlich gehaltenen Informationen und Hilferufnummern für wohnungslose Menschen werden ebenfalls zur Verteilung angeboten.
Was verändert sich?
- Der Zeitraum für die Vorbereitung an den Sammelpunkten wird verkürzt und mit alternativem Programm gefüllt - das Zusammentreffen beginnt ab 20 Uhr. Der Fokus liegt hierbei auf der Vorbereitung der freiwilligen Helfer und Helferinnen.
- Für alle Freiwilligen, die keine Teamleitung übernehmen und somit nicht im Vorfeld geschult werden, wird ein Erklärvideo erstellt. Das Video greift die Verhaltensregeln und die erwartete und erforderliche Haltung der Freiwilligen auf.
- Die Kommunikation über den Sinn und Zweck der Erhebung an obdachlose Berliner:innen erfolgt - zusätzlich zu den Mitteln aus 2020, per Flyer und Aushänge in Tagesstätten, Notunterkünften und Bahnhöfen - durch eine persönliche Besuchstour in den Wohnungslosentagesstätten und durch die Informationsweitergabe an Mitarbeitende und Ehrenamtliche der Einrichtungen.
Was wird noch geklärt?
- Die Kartenausschnitte und der eventuelle Verkleinerungsbedarf, für die einzelnen Erhebungsbereiche werden in den kommenden Bezirks-Workshops überarbeitet. Die Festlegung von Bereichen als "Hotspots" erfolgt ebenfalls durch die Bezirks-Workshops.
Worüber wurde besonders stark diskutiert?
- Über die Schulung der Freiwilligen - nicht der Teamleitungen - wurde ausgiebig gesprochen. Bei der Erhebung im Jahr 2020 wurden den Freiwilligen ein Verhaltenskodex ausgehändigt und zuvor ein Fragenkatalog zur Selbstinformation bereitgestellt. Es wurde sich darauf geeinigt, dass dies nicht ausreichend ist, da bei einigen Freiwilligen grundlegende Fragen nicht beantwortet schienen und die richtige Haltung nicht gut genug vermittelt wurde. Die Lösung hierfür ist das bereits erwähnte Erklärvideo und das Programm an den Sammelpunkten am Tag der Erhebung.
- Im Raum stand auch eine Erweiterung des Fragenkatalogs, um die Frage des Auslösers der Wohnungslosigkeit. Es wurde sich dafür entschieden, die Frage nicht mit aufzunehmen, unter anderem, da der Auslöser nicht unbedingt ersichtlich ist und ein solches Gespräch die Freiwilligen überfordern könnte.
- Eine langwierige Diskussion wurde durch eine mögliche Aufwandsentschädigung für die befragten Personen entfacht. Die Meinungen hierbei gingen stark auseinander - es gab bedenken darüber, dass eine Entschädigung als Bestechung aufgefasst werden könnte, was das Ziel der Entschädigung um längen verfehlt hätte. Auch die Überlegung darüber, was gegeben wird, wenn etwas gegeben wird, war lang und ausführlich. Denn praktische Gegenstände oder Wasserflaschen hätten die logistischen Fähigkeiten der Erhebungsteams überstiegen und die Autonomie der befragten in Frage gestellt. Es wurde sich darauf geeinigt, dass wenn eine Aufwandsentschädigung verteilt wird, dies in Form eines Gutscheins von einem Supermarkt geschieht. Zu diesem Zeitpunkt war es logistisch und finanziell nicht umzusetzen und wird daher als Vorsatz für die dritte Erhebung mit sorgfältiger Vorbereitung vertagt.
- Auf die Aufwandsentschädigung, als Form der Wertschätzung, konnte sich der Fachbeirat nach langwierigen Diskussionen einigen. Die Beschaffung dessen ist eine zusätzliche organisatorische Herausforderung, an dessen Umsetzung wir jetzt arbeiten.